Reisebericht

Norwegen und Spitzbergen

09.07.-08.08.97

Teil I Allgemeines

Vor einem Jahr besuchte ich im Rahmen einer Busreise durch Skandinavien zum erstenmal Spitzbergen. Dieser Besuch dauerte nur drei Stunden, die allerdings ausreichten, um mich in diese Insel, vor allem in ihre Hauptstadt Longyearbyen zu verlieben. Ich fand die Adresse eines deutschen Spezialanbieters für Spitzbergenreisen heraus und plante erneut eine Reise dahin, diesmal natürlich für länger. Da Norwegen viel zu schön ist zum Drüberwegfliegen, plante ich nur für das letzte Stück von Tromsø nach Longyearbyen einen Flug und nutzte die Anreise nach Nordnorwegen dazu, dieses wunderbare Land näher kennenzulernen. Es wurde, aus Zeitgründen, nicht viel mehr als ein erster Eindruck, denn Norwegen ist riesengroß, und es gibt soviel zu sehen.

Reiseroute durch Norwegen

siehe auch gesonderter Bericht Bericht »Zug- und Busreisen in Skandinavien«, wird demnächst erstellt.
Den Flug nach Spitzbergen und den Aufenthalt dort (anderthalb Wochen) hatte ich fest gebucht. Eigentlich hatte ich vor, mir für die Hinreise gut zwei Wochen Zeit zu nehmen und hinterher auf dem schnellsten Weg heimzufahren. Ein beruflicher Termin sowie ein schmerzender Zahn kurz vorher zwangen mich zu einer Verschiebung um eine Woche, so daß ich versuchte, mein geplantes Programm auf Hin- und Rückfahrt zu verteilen. Ich wollte unbedingt die hochgelobte Fjordlandschaft im Süden sehen, außerdem die Lofoten-Inseln, von denen jeder schwärmt (die außerdem, zumindest auf der Karte, »nicht weit weg« von meinem Abflugsort Tromsø liegen...), und mehr geht dann schon garnicht mehr in der kurzen Zeit. D.h. die grobe Planung vorab sah folgendermaßen aus: Über Dänemark mit der Fähre nach Kristiansand, von dort aus an die Westküste, an dieser entlang stückweise hoch nach Trondheim, mit dem Zug nach Fauske und mit dem Bus nach Tromsø, auf der Rückreise Umweg über die Lofoten, nach Trondheim und über Oslo und København zurück.

Reiseführer:

Interconnections-Reiseführer Skandinavien.
Da dieser Buch ganz Skandinavien beinhaltet, ist es natürlich nicht sehr ausführlich. Gute Tips für bezahlbare Unterkünfte. Ich hatte ohnehin nicht viel Zeit (weder für die Vorbereitung noch für die Reise selbst) und hab mir deshalb noch keinen ausführlicheren Reiseführer zugelegt.

Anreise:

Für die Zugfahrt durch Deutschland wähle ich den Sparpreis der DB, für 209 DM hin und zurück soweit man will (München-Puttgarden Mitte See). Gültig ein Monat, bei Reisen ins Ausland zwei Monate. Letzteres wußte ich nicht (stand auch nicht auf der Fahrkarte, die Schalterbeamten wissen auch nicht immer alles), dadurch wurde meine Zeitplanung ziemlich eng, den Monat nutzte ich bis auf den letzten Tag aus.
Von München aus geht ein Nachtzug nach København, von dort aus hat man Anschluß zum Zug nach Oslo. Da ich unbedingt die neugebaute Storebælt-Brücke sehen will, nehme ich aber bei der Anreise einen Umweg durch Dänemark. Ich steige in Næstved aus, von da aus hat man (mit Umsteigen in Ringsted) Regional- und IC-Zugverbindungen nach Nordjylland. Als geübte Dänemark-Reisende fahre ich mit dem Super-Rød-Billet (siehe meine diversen Dänemark-Reiseberichte) in den Regionalzügen. Da der Zug in Næstved um 8:55 Uhr losfährt und das Super-Rød-Billet erst ab 9:00 gilt, löse ich bis zum nächsten Bahnhof Glumsø eine normale Fahrkarte. Ab Århus kann ich mit dem IC weiterfahren, diesen verlasse ich in Hjørring und fahre mit der Privatbahn nach Hirtshals. Es gibt eine Haltestelle direkt am Hafen der Color Line. Durch mein Lieblingsland Dänemark fahre ich diesmal nur durch, aber wenn ich schon hier anfange, mich aufzuhalten, schaff' ich's ja nie in anderthalb Wochen nach Spitzbergen...
Die Reiseroute durch Dänemark habe ich bequem von zuhause aus geplant: http://www.dsb.dk/
Von Nordjylland aus hat man mehrere Möglichkeiten, per Schiff nach Südnorwegen zu kommen. Die Angebote ändern sich ab und zu, z.B. gehört die ehemalige Larvik-Line (z.B. Skagen-Larvik) mittlerweile auch zu Color Line. Aus Zeitgründen wähle ich diesmal die Color-Line-Verbindung von Hirtshals nach Kristiansand, diese Fahrt dauert nur zwei Stunden.

Übernachtung in Norwegen

Auf meine alten Tage (30 Jahre) bin ich noch dem Jugendherbergsverband beigetreten, um einigermaßen bezahlbar übernachten zu können. Und hätte nie gedacht, daß mir das soviel Spaß macht! Ins Zimmer kommen, das Stockbett am Fenster mit dem schönsten Blick auf den Fjord besetzen, das wird zu den bleibendsten Erinnerungen an diese Reise gehören. Das ist schöner als jedes Hotelzimmer! Die norwegischen Jugendherbergen sind meistens überaus freundlich und sympathisch und haben gemischtes Publikum (viele Familien, auch ältere Leute). Meistens 4-6-Bett-Zimmer, Dusche und WC auf dem Flur. Doppel- und Familienzimmer gibt's auch, manchmal Schlafsäle. Die Übernachtung kostet meist etwa 100 NOK (4 Norwegische Kronen = ca. 1 DM) (Nichtmitglieder 25 NOK mehr), Frühstücksbüffet 50 NOK, manchmal muß man fürs Duschen extra zahlen.Man braucht einen Jugendherbergsschlafsack (ansonsten leihen gegen Gebühr) und sollte sich vorher anmelden. Ich hab mich 1-2 Tage vorher angemeldet (spätestens am selben Tag, bevor ich mit dem letzten Bus aufgebrochen bin) und hatte nie Schwierigkeiten, unterzukommen, für Gruppen kann's schwieriger werden.
Ich gebe hier keine Adressen und Telefonnummern an, weil's die zusammengefaßt gibt, z.B. in einer Broschüre des Norske Vandrerhjem, Dronningensgate 26, N-0154 Oslo, Tel. 22421410, Fax 22424476, oder im Europaverzeichnis, das auch beim deutschen Jugendherbergswerk erhältlich ist.
Norwegen: www.vandrerhjem.no
Dänemark: www.danhostel.dk

Sprache

Da ich mir seit fast einem Jahr die Zähne an Dänisch ausbeiße und die beiden Sprachen ähnlich sind, kann ich schlecht beurteilen, wie schnell jemand Norwegisch lernt ohne Dänischkenntnisse. Die Schriftsprachen sind fast gleich (und leicht zu lernen), die Aussprachen allerdings sehr unterschiedlich. Die norwegische ist für Deutsche viel einfacher zu lernen (und klingt schöner!), so daß man insgesamt Norwegisch wohl recht leicht lernt. Für mich war das Schwierigste, mir das dänische Kauderwelsch wieder abzugewöhnen. Natürlich können die NorwegerInnen Englisch und oft auch Deutsch, aber mit ein bißchen Sprachkenntnissen hat man gleich viel besseren Durchblick, und man verschafft sich, wie bei allen von Touristen seltener gesprochenen Sprachen, schnell Sympathie. Eine Deutsche, die Norwegisch mit dänischem Akzent spricht, das hatten die Norweger allerdings noch nie gesehen, das garantierte meistens einen schnellen Gesprächseinstieg. Siehe außerdem Sprachbemerkungen in meinen Dänemark-Reiseberichten.

Preise in Norwegen (... und andere Gerüchte)

»Daß Norwegen teuer ist wußte ich ja, aber daß es sooo teuer ist....« sprach mir eine andere Touristin aus der Seele. Ja, eigentlich weiß man's vorher. Es gibt viele Gerüchte über dieses Land, aber das stimmt ausnahmsweise. Da über Dänemark diesbezüglich auch geschimpft wird und ich dort aber ganz gut durchgekommen bin, hab ich's vorher auch nicht glauben wollen. Insbesondere alles was eßbar ist (das wovon die Einheimischen auch leben, kein böser Wille gegenüber uns armen überall geneppten TouristInnen also), egal ob Supermarkt, Fast Food oder Essen gehen, ist ungefähr doppelt so teuer wie bei uns, Trinkbares ebenso. Ähnlich wie in Dänemark gibt es oft preiswertere Mittagessen, oft sogar bis 18:00 Uhr. Ansonsten gibt es kaum Möglichkeiten, halbwegs billig wegzukommen (Zu den Preisen und sonstigen Gerüchten über die öffentlichen Verkehrsmittel siehe gesonderter Bericht). Kleine Überraschungen gibt es trotzdem: Das Frühstücksbuffet im Zug von Trondheim nach Fauske kostet nur soviel wie in Jugendherbergen. Essen im Zug ist, anders als bei uns, auch nicht teurer als es ohnehin ist.
Ansonsten muß man nicht jedes Gerücht über Norwegen glauben. Es ist nicht dauernd schlechtes Wetter, und Norwegen liegt, Spitzbergen ausgenommen, auch nicht kurz vor dem Nordpol. Ich hatte allerdings wahnsinniges Glück, es war wochenlang knallheiß, und das bis über den Polarkreis rauf.
Die größten Gerüchte kursieren offensichtlich über die angebliche »nordische« Mentalität. Natürlich habe ich als Touristin nur einen begrenzten Einblick, aber ich hab noch nirgendwo unkompliziertere Leute angetroffen als in Norwegen und Dänemark. Alle sagen Du zueinander, irgendwie wirken sie im Umgang untereinander lockerer.
Daß man relativ sicher vor Kriminalität ist, stimmt zwar, mir wurde aber trotzdem mal das gesamte Gepäck geklaut (siehe Tromsø).
Meine persönliche Erfahrung ist, daß ich in südlichen Regionen wesentlich öfter Regenwetter hatte als in Skandinavien. Dafür wurde mir im Süden noch nie was geklaut, aber da war ich ja nie so doof, mein gesamtes Gepäck an der Bushaltestelle liegenzulassen und zu verschwinden... So ganz nebenbei bemerkt, ich hab manchmal den Eindruck, nach der Vorstellung vieler Deutscher sind südlich von uns alle Leute besonders lebenslustig und das Wetter immer warm und sonnig und nördlich von uns alle Leute besonders verschlossen und das Wetter kalt und verregnet. Ganz davon abgesehen, daß Deutschland nicht der Nabel der Welt ist, wo alles das »richtige« (??) Mittelmaß hat, ist das auch eine geographische Fehleinschätzung. Mitteleuropa ist ganz schön groß, und zieht sich noch weit bis in den Norden. Und auch Norwegen ist groß (um es zu präzisieren: lang), Oslo ist vom Nordkap so weit weg wie von Rom. Man muß im Sommer schon recht weit rauf, um das Gefühl zu haben, »nördlich« zu sein (während ich im Winter Dänemark schon als sehr skandinavisch empfand). Nordnorweger bezeichnen Südnorwegen auch schon mal als »Riviera«.
In den Genuß der hellen Nächte kommt man in den Wochen um die Sommersonnenwende allerdings fast im ganzen Land. Im Süden ist die Sonne nur für wenige Stunden verschwunden und zwar so flach hinter dem Horizont, daß es auch da nicht richtig stockdunkel wird.

Teil II Abgeklapperte Dörfer/Städte

Kristiansand

Hier lande ich abends mit der Fähre. Es gibt es paar schöne Straßen in der Innenstadt, aber m.E. nichts, weswegen man unbedingt hierher kommen müßte. Die Jugendherberge ist sehr angenehm (150 NOK inkl. Frühstück), gleich in der Nähe ist ein Schwimmbad und eine Badestelle am Meer.

An/Ab/Weiterreise

Zug- und Busbahnhof sind neben dem Fährhafen. Der Zug von Oslo nach Stavanger hält hier, außerdem Busverbindungen.

Stavanger

Hier muß ich mir erstmal den Durchblick erarbeiten. Die Stadtbuslinien fahren im Zentrum einige hundert Meter vom Bahnhof entfernt ab, und das nicht unbedingt in einer übersichtlichen Art und Weise! Außerdem ist das Touristinfobüro nicht da, wo es lt. Reiseführer sein soll, sondern im Hafenbereich.
In Stavanger gibt es einen wunderschönen Altstadtbereich. Angeblich ist es die Stadt mit den meisten noch erhaltenen alten Holzhäusern in Europa (ich hatte den subjektiven Eindruck, daß es in Bergen mehr sind, da sieht ja die ganze Stadt so aus). Diese Straßen ganz in weiß sehen sehr malerisch aus, allerdings wird die Idylle durch den Lärm vom Hafen etwas getrübt.
Die Jugendherberge liegt außerhalb der Stadt neben einem Campingplatz. Ebenfalls sehr idyllisch, an einem See, doch auch hier ist es, wegen einer dicken Straße in der Nähe, nicht immer besonders leise. All das sieht man ja auf den Fotos nie...
Die Jugendherberge ist sehr schön, Zweierzimmer, sehr gemütlicher Gemeinschaftsbereich. 125 NOK; Frühstück 50 NOK. Hierher kommt man mit den Stadtbussen 97 und 30. Die Busse fahren einen Rundweg, d.h. zur Fahrt in die Stadt muß man auf derselben Straßenseite zusteigen. Kostet 16 NOK!

Wanderung auf den Preikestolen
Der Hauptgrund, warum ich Station mache, ist diese Wanderung! Hierher kommt man mit der Fähre nach Tau und dann weiter mit dem Bus. Fahrpläne gibt es, wie immer, im Touristinfobüro, mehrere Abfahrten täglich. Die Busse sind gut voll!! Sie fahren bis zur Preikestolhytta, einer Jugendherberge. Hier ist es landschaftlich wunderschön, diese werde ich mir vormerken für's nächstemal, sicher ist es hier, wenn erstmal die Tagestouristen alle weg sind, wunderbar ruhig! Den Wanderweg kann man schwer verfehlen, weil man, zumindest bei so schönem Wetter, hier bestimmt nicht allein geht. Ca. 2 Stunden Aufstieg, z.T. recht beschwerlich, aber der Ausblick auf den Lysefjord lohnt sich.

An/Ab/Weiterreise

Zug nach Oslo, viele Busverbindungen, fahren am Bahnhof ab. Die Fahrt nach Bergen dauert zwar recht lange, wird durch drei Fährüberfahrten aber sehr kurzweilig. Diese Strecke kann man auch mit dem Schiff fahren.

Bergen

Eigentlich wollte ich hier gar nicht hin, weil ich keine großen Städte mag. Aber Bergen liegt so verkehrsgünstig zwischen den Fjorden, und wenn ich schon mal da bin, schau ich mich natürlich auch um... als Resultat änderte ich meine Planung für die Rückreise und kam nochmal für zweieinhalb Tage hierher. Eine wirklich besondere Stadt!! Eine von der Sorte »heimliche Hauptstadt«, läßt niemanden kalt, eine Stadt für Begeisterungsfähige und für Lästermäuler (Gespräche unter TouristInnen im ganzen Land bis rauf nach Spitzbergen: Bergen? Das ist doch die Stadt wo's dauernd regnet? - Wütender Protest!). Nach dem Urlaub fällt mir ein Artikel in einem Merian-Heft wieder in die Hände mit der Überschrift »der Darling der Nation«, der Komponist Edvard Grieg (dessen Musik nun durch meine Wohnung dröhnt). Diese Bezeichnung scheint mir zutreffend nicht nur für ihren berühmten Sohn, sondern für diese Stadt an sich. Bergen ist Everybody's Darling aller Touristen, denen ich nicht mal am Geiranger-Fjord so zahlreich begegnet bin, und jeder, der was über Norwegen schreibt/erzählt, weiß ganz bestimmt auch was über Bergen. Und immer ausschließlich Fotos von den alten Holzhäusern, und immer wieder werden diverse Norwegen-Klischees bemüht. Das hat man halt davon, wenn man als Stadt sooo schön ist...
Ich habe von Anfang den Eindruck, das ist eine besonders liebenswerte Stadt. Natürlich sehe ich mir zunächst Bryggen an, die Straße mit den tollen Holzhäusern, am Hafen mit dem Marktplatz und anschließender Touristenflaniermeile incl. Hotels und schicker Läden, eine der touristischsten Ecken die ich je gesehen habe. Bevor ich nach Hause gehe, will ich noch einen Spaziergang machen und gehe zwei Straßenecken weiter. Es ist abends, immernoch sehr warm und hell, verwinkelte enge Straßen wie in einer Mittelmeeraltstadt, die steil den Berg hoch führen, schmale Treppen und Gäßchen zwischen weißen und bunten Holzhäusern, ein kleiner Platz mit einer Bank, auf der ich mich kurz ausruhe. Plötzlich ist es ganz ruhig, kein Tourist mehr zu erahnen, und ich verliebe mich in diese Stadt...
Da ich die Fahrkarte für die Weiterfahrt für den nächsten Tag schon gekauft habe, komme ich auf dem Rückweg nochmal hierher, diesmal von der anderen Seite mit der Hurtigrute. Auf dem Schiff werden Fahrkarten für den Bustransfer für 35 NOK angeboten, diese Ausgabe spare ich mir aber. Man kommt nämlich nach kurzem Fußweg leicht zur nächsten Bushaltestelle (vom Schiff aus sieht man, wo Busse langfahren), und da kostet es zur Innenstadt nur 8 NOK und zur Jugendherberge 15.
Wenn ich mir in Bryggen die schönen Holzhäuser ansehe und in den Souveniershops nach Fanartikeln stöbere, wundere ich mich, daß all die Touristen denn nicht mal woandershin laufen mögen. Die Altstadt von Bergen liegt nicht weit von Bryggen entfernt und ist sehr malerisch. Es erstaunt mich immer wieder, wie man zwei Straßenecken weiter weg plötzlich in so schöne, ruhige Straßen gelangt, wo nur ganz wenige Touristen langgehen. Auf dem langen Weg von der Jugendherberge in die Innenstadt (man kann ein Stück des Busweges über Schleichwege abkürzen und die Strecke außerdem durch Nebenstraßen variieren) gibt es ebenfalls viele schöne Häuser zu entdecken. Aber meine Lieblingsecke bleibt der Altstadtbereich östlich vom Marktplatz am Fløyberg. Hier sind andere Touristen die absolute Ausnahme. Denn selbst wenn sich hierher einer verirrt (diese Ecke ist in keinem Touristenführer besonders hervorgehoben), werden ihm die ständigen Auf- und Abstiege sicher schnell zu mühsam. Ich laufe hier stunden- und tagelang rum, Bergen rauf und runter im wahrsten Sinne des Wortes (kaum eine Stadt trägt ihren Namen wohl so zu recht...), in sengender Hitze mit Sonnenbrand bis zur Erschöpfung...
Nein, Bergen ist nicht nur »schön«. Es hat eine Atmospäre, die man kaum beschreiben kann. Die romantischen Holzhäuser lassen diese Stadt beinahe dänisch auf mich wirken, die engen verwinkelten Wege machen sie geradezu südländisch. Auch Vergleiche mit kaliformischem Baustil höre ich öfter, kann ich nicht beurteilen, da ich dort noch nicht war. Dazu kommen immer wieder mal grüne Stellen, der Blick auf die Berge im Sonnenlicht, und natürlich das Meer. Die Farben der Häuser, meist weiß oder pastellfarben, tragen dazu bei, daß ich das Gefühl habe, hier gibt es ein besonders helles, sanftes Licht. Eine wunderbare Stadt, die ich mir (allen Wettergerüchten zum Trotz) nur im strahlenden Sonnenlicht vorstellen kann. Man entdeckt sie am besten, wenn man gar nichts über sie weiß und einfach in den Seitenstraßen spazierengeht.

Die Jugendherberge

Ebenfalls ein Highlight!! Meine Lieblingsherberge in Norwegen! Sie liegt erstens wunderschön am Ulrikenberg, und man hat einen tollen Blick auf die Stadt. Zweitens ist sie sehr freundlich ausgestattet und bietet ein Superfrühstück. Und drittens war es meine billigste Übernachtung im ganzen Urlaub, 125 NOK mit Frühstück. Ein Schild »Stearway to heaven« weist den Weg die Treppe hoch zu den Schlafsälen (es gibt auch andere Zimmer, das kommt natürlich teurer). Dem ist nichts hinzuzufügen. Mit diesem Blick auf Bergen bin ich hier wunderbar friedlich und glücklich eingeschlafen...
Man kommt hier mit der Buslinie 4 hin, Haltestelle Montana. Im Bahnhof ist ein kleines Tourist-Infobüro, hier am besten nach dem Weg zur Haltestelle fragen.

In den Bergen von Bergen

Wie der Name Bergen schon erahnen läßt, ist die Stadt von ebensolchen umgeben (bei ihrer Gründung hieß die Stadt Bjørgvin, Bergweide. Nur damit keiner meint ich weiß es nicht...). Freundlicherweise beginnen die Wanderwege auf den Ulrikenberg gleich an der Jugendherberge. Schöne Landschaft, und natürlich Blick auf die Stadt. Auf den Gipfel führt auch eine Seilbahn. Das letzte Wegstück können sich die Wanderer über die Geländer und Treppen lustig machen.Für die Sightseeing-Touris, die mit der Seilbahn hochfahren und sich ein paar Meter zu Fuß bewegen... Weiter weg begegnet man natürlich nur noch anderen Wanderern, offensichtlich nutzen auch viele Einheimische diese schöne Ecke als Naherholungsgebiet.

An/Ab/Weiterreise

Busverbindungen nach Stavanger, zu den Fjorden und in den Norden (Trondheim/Ålesund), außerdem diverse Fähren, vor allem natürlich die Hurtigrute (s.u.).
Zugverbindung nach Oslo, auf dieser Strecke liegt Myrdal, hier steige ich um nach Flåm. Dieser Zug fährt den Berg hoch durch eine sehr fotogene Landschaft, dementsprechend viele Touristen gibt es hier. Von Flåm aus hat man Anschluß an einige Schiffe (der Hafen ist gleich beim Bahnhof), hier fahre ich weiter über den Sognefjord nach Sogndal. Von hier aus gibt es einige Busverbindungen, allerdings muß man den Busbahnhof erstmal finden. Man geht vom Hafen aus bis zur Hauptstraße und auf dieser nach links (zum Touristinfo geht's nach rechts), und kurz vor dem Ortsausgang wieder nach links. Ich fahre weiter nach Hellesylt, wie hier nicht anders zu erwarten wieder durch traumhaft schöne Umgebung. Das Wasser in den Fjorden ist so richtig quietschtürkisblau wie auf den Postkarten, es sieht aus als hätte einer Farbe reingekippt. Diese Gegend am Sognefjord wäre es wohl wert, daß man sie sich näher ansieht, ich kann mir gut vorstellen, daß es hier viel zu entdecken gibt, zumal es die meisten Touristen (auch so eilige wie mich) gleich weiter zum Geirangerfjord zieht.

Die Hurtigruten

Elftägige Schiffsreise von Bergen in den Norden Norwegens bis nach Kirkenes, verkehrt täglich. Es gibt auch Pauschalreisen von Deutschland aus dahin, mich interessieren natürlich die Teilstrecken mehr. Dafür gibt es eine Broschüre, auch auf deutsch, in der alles übersichtlich erklärt ist (Preise, Abfahrtszeiten, Ausstattung der Schiffe usw.) In der Hauptsaison empfiehlt sich Vorausbuchung, da die Kabinenplätze knapp sind. Ich fahre auf der Rückfahrt von Trondheim nach Bergen mit der M/S Polarlys, ein Schiff der neuen Generation. In der Tat, eine wunderschöne Seereise, mir persönlich wäre es nach mehr als einem Tag allerdings langweilig. Ziemlich gemischtes Publikum, viele ältere Leute und Familien, Rucksacktouris eher weniger, allerdings kein Kreuzfahrt-Schicki-Micki-Volk. Zwischenstops in Kristiansund und Molde, und ein einstündiger Aufenthalt in Ålesund. Auch eine Stadt, der ich eigentlich aus dem Weg gehen wollte, weil sie mir zu groß ist, was mir auf der Hinfahrt auch gelungen ist. Der kurze nächtliche Besuch (ich wundere mich richtig, daß es tatsächlich wieder dunkel wird...) wird zum Erlebnis, diese Stadt mit ihren Jugendstilhäusern und ihrer Meerlage ist sehr schön! Am nächsten Tag ist es, nach einem durchwachsenen Tag, wieder knallheiß, und ich hole mir auf dem Sonnendeck den zweiten Sonnenbrand auf dieser Reise. Auf dem Schiff gibt es ein reichhaltiges Frühstücksbüffet für 65 NOK, was den Preis auch wert ist. Die Restaurantbesuche auf dem Schiff sind mir allerdings zu teuer, es gibt auch preiswerte warme Gerichte in der Cafeteria.

Hellesylt am Geirangerfjord

Der Fjord aller Fjorde!! Alle die was darüber schreiben überbieten sich gegenseitig mit Lobpreisungen, was soll ich dem noch hinzufügen?? Ich hab's ja nicht so mit den Touristenecken, (vor allem dann nicht, wenn sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht erreichbar sind) als ich in meinem Reiseführer las »wer Geiranger ausspart ist selbst schuld«, wollte ich das dann doch nicht auf mir sitzen lassen. Das muß man einfach erlebt haben, es ist nicht zu beschreiben, weder mit Worten noch mit Fotos.
Ich fahre aber zunächst nicht in das Dorf Geiranger selbst, sondern auf die andere Seite des Fjords nach Hellesylt, denn hier komme ich gut mit dem Bus hin und es gibt eine Jugendherberge. Das war ein absoluter Glückstreffer!! Hellesylt ist mein Geheimtip für diesen Reisebericht. In den Reiseführern wird dieses Dorf, wenn überhaupt erwähnt, nie besonders vorgehoben, beinahe durchgängig wird es als »Nest« bezeichnet (die Buchautoren schreiben offensichtlich auch noch voneinander ab). Hier ist die Landschaft mindestens genauso schön wie in Geiranger (nach meinem Geschmack sogar noch schöner), aber es ist weniger touristisch, nur ein kleines Hotel und ein Souvenirshop bei der Fähre. Es sind nur tagsüber ein paar Touris hier, die mit der Fähre von Geiranger herfahren, aber die stören mich ohnehin nicht, wenn ich tagsüber auf dem Berg bin. Norwegische Dörfer, zumindest die, denen ich auf der Durchfahrt mit dem Bus begegnet bin, sind nach meinem Dafürhalten selten besonders hübsch (ich bin diesbezüglich allerdings durch Dänemark sehr verwöhnt). Hellesylt ist zwar auch nicht gerade schöner als der Durchschnitt, aber die Lage macht's. Das Dorf liegt sehr ruhig, etwas abseits von der Straße, man hat also nur den Durchgangsverkehr zur Fähre. Hier ist man umgeben von den Bergen und vom Geirangerfjord, und einen dorfeigenen Wasserfall gibt es auch. Es gibt alles, was man zum Leben braucht (zwei Supermärkte, ein Postamt, ein Touristinfo-Büro), aber nichts, was die Touristenmassen anziehen könnte. Frühmorgens werde ich von der Sonne geweckt und schaue aus dem Fenster auf den Fjord, abends sitze ich im Dorf auf einer Bank zwischen Wasserfall und Fjord, kein Mensch zu sehen, und ich denke mir, das muß ein Traum sein. Nirgendwo auf der Welt ist es schöner, was für ein Glück, daß die weltberühmte Pfütze nicht Hellesyltfjord heißt.
Die Jugendherberge liegt wunderschön auf dem Berg. 100 NOK, das Frühstück ist teurer als sonst (60 NOK), aber nicht besser, außerdem muß man fürs Duschen extra zahlen (5 NOK für 3 Minuten!). Trotzdem m.E. eine der sympathischsten Jugendherbergen, immerhin könnten sie hier auch Fjordblickzuschlag verlangen...

Bergwanderungen von Hellesylt aus

Es gibt in der Jugendherberge und im Touristinfobüro Wanderkarten. Sie enthalten nur ungenaue Angaben über die Länge der Touren und die Beschaffenheit der Wege. Aber man erarbeitet sich schnell ein paar Erfahrungswerte.
Von der Jugendherberge aus geht man runter nach Hellesylt, hier nimmt man die nächste Querstraße rechts nach der Straße nach Stryn. Hinter dem letzten Wohnhaus beginnt der Wanderpfad (Wegweiser »Steimsnibba« auf der linken Straßenseite beachten, nicht den rechten Seitenweg nehmen, der führt nach einer Weile ins Dickicht). Kurz hinter der Baumgrenze kann man entweder nach rechts hoch zum »Skaret« oder weiter hoch nach links auf den »Steimsnibba« (1285 m). Ich entscheide mich für letzteres. Der Weg ist z.T. steil und beschwerlich, und immer wenn ich meine, gleich oben zu sein, erscheint erst der Gipfel in meinem Blickfeld (als mathematisch gebildeter Mensch weiß ich natürlich, daß das was mit der Tangente meiner Blickrichtung auf den Berg zu tun hat, aber immer wieder falle ich drauf rein...). Der Blick auf den Fjord und die wunderschöne Berglandschaft entschädigen für die Mühe. Es ist immernoch wunderbar sonnig und warm, nur die paar kleinen Schneefelder und das Wollgras, das mich noch bis in die Arktis rauf begleiten wird, erinnern daran daß ich nicht in den Bergen von Mallorca bin. Die Orientierung ist einfach, der Weg ist markiert, außerdem sieht man ja wo oben ist. Nach etwa dreieinhalb Stunden erreiche ich den Gipfel.
Beim Rückweg bin ich so dreist, den markierten Weg zu verlassen und lande bald mitten im südnorwegischen Dschungel. Da der Weg nicht mehr aufzufinden ist, muß ich mich ca. 700 Höhenmeter nach dem Motto »runter kommt man immer« durch die Büsche schlagen, teils auf dem Hosenboden, teils von Baum zu Baum hangelnd. Jedesmal wenn ich runterschaue denke ich, es geht ja überhaupt nicht vorwärts, und das lästigste ist, daß sich, wenn ich mich mal einen Moment nicht bewege, gleich haufenweise Fliegen auf mir niederlassen als freuten sie sich schon darauf, daß ich demnächst zu verwesen beginne. Zwischendurch komme ich nicht weiter, weil der Winkel des Berghangs zur Ebene für einige Meter mehr als 90 Grad beträgt. Während ich noch überlege, ob ich mich gleich runterstürze oder versuche, mich seitlich vorbeizuhangeln und dabei runterfliege, entscheide ich mich für letzteres... Die Wahrnehmung setzt Sekundenbruchteile später wieder ein, als ich mich ein paar Höhenmeter weiter unten wieder einsammle. Ist wirklich interessant, mal zu erleben, wie in Streßsituationen jedes Müdigkeits-, Schmerz- und Angstempfinden auf ein Minimum reduziert wird. Wieder mal was gelernt: Wenn Du beim Wandern in Skandinavien einen Weg gefunden hast, dann bleib drauf, es könnte der einzige am ganzen Berg sein. Wem dasselbe widerfährt, dem ist zu raten, unbedingt wieder rauf über die Baum-, Strauch- und Grasgrenze und dort den Weg suchen, weiter unten in der Pampa hat man keine Chance! In diesen Breitengraden ist das Wegenetz dünn. Ich habe noch das Glück, den Geirangerfjord nicht nur als Augenweide, sondern als Orientierungshilfe vor mir zu haben, so kann ich nicht auch noch die Richtung verfehlen. Bleibt noch zu erwähnen, daß die Wanderung trotzdem wunderschön war. Ich bin nicht einem einzigen Menschen begegnet!! Einsame Wildnis mit Blick auf den Geirangerfjord, wer hätte das gedacht.
Unten angekommen humple ich, verdreckt und verschrammt, durch das Dorf zur Jugendherberge und weiß wieder die einfachen Dinge des Lebens zu schätzen. Wieder festen Boden unter den Füßen, und zum Glück regnet es nur ganz leicht, nicht auszudenken, wenn es den ganzen Weg auch noch wie aus Eimern gegossen hätte. In der Tankstelle gibt es leckere Pizza aus der Mikrowelle für 20 NOK, außerdem Brause mit Johannisbeergeschmack, das baut mich wieder auf. In den nächsten Tagen bin ich, aufgrund einer leichten Erkältung und eines höllischen Muskelkaters, etwas kleinlaut. Trotzdem, wenn ich im Nachhinein an die Tage in Hellesylt zurückdenke, dann waren es die erholsamsten und unbeschwertesten im ganzen Urlaub. Hier ist es einfach soooo schöööön...

Geiranger

Das Dorf an sich ist uninteressant, es besteht fast nur aus Souvenirläden und Hotels, diese Betonklötze verschandeln jedes Foto. Die Kirche ist allerdings recht hübsch, von hier aus hat man einen schönen Blick über den Fjord. Nebenan ist eine neue Unterkunft für Rucksacktouristen:Hostal »Vinjebakken« für 115 NOK, Tel. 70263205. Ich persönlich würde allerdings unbedingt wieder Hellesylt vorziehen!

An/Ab/Weiterreise

In dieser Ecke ist es oft schwierig, vom Fleck zu kommen, weil, trotz großen Interesses der TouristInnen an dieser schönen Gegend, nur wenige Busse fahren! Diese sind nicht mal überfüllt, vermutlich versuchen es die meisten Touris gar nicht erst, sondern fahren eben gleich mit dem Auto her, was man ihnen auch nicht unbedingt verdenken kann. Hier braucht man gute Planung, aber wenn man die hat, dann klappt es auch gut.
Der Bus zwischen Bergen und Ålesund über Stryn hält in Hellesylt. Von Sogndal aus hat man in Skei Anschluß an diese Linie. Auch von ein paar anderen Städten aus (Florø, Førde, Maloy) hat man Anschluß, allerdings nicht unbedingt in jeder Richtung und jeden Tag.
Zwischen Hellesylt und Geiranger verkehrt mehrmals täglich, in der Hauptsaison ein bißchen öfter, eine Fähre. Diese ist natürlich nicht nur aus Transportgründen wärmstens zu empfehlen. Das Erlebnis dauert eine gute Stunde und kostet nur 31 NOK.
Von Geiranger aus kommt man, jeweils nach mehrmaligem Umsteigen zwischen Lokalbussen und Fähre, nach Ålesund und Åndalsnes. Diese Linie steht nicht im Busfahrplan!!
Sie lohnt sich aber, weil diese Strecke toll ist. Man fährt durch eine faszinierende karge Gebirgslandschaft, vorbei an Schnellfeldern und Wasserfällen. Ich stelle mir vor, wir sind auf einem fremden Planeten gelandet, dann halten wir an einer großen Raststätte mit haufenweise Souvenirshops, und ich bin wieder auf dem Boden der Tatsachen. Dann geht es auf dem »Trollstigen« serpentinenartig den Berg runter, wie immer in dieser Gegend natürlich am Wasserfall entlang, und wie immer ist es absolut traumhaft. Infos über den Fahrplan in den Touristenbüros, die Anschlüsse klappen gut.

Åndalsnes

Hier endet die schöne Fahrt. Dieser Ort ist wohl nur aus zwei Gründen für Touristen interessant, erstens wegen der Nähe zu Geirangerfjord und Trollstigen, und zweitens wegen der Jugendherberge. Die ist unter Rucksacktouristen schon richtig berühmt, vor allem für ihr Frühstück. Das ist wirklich das Leckerste im ganzen Land (knapper Sieger vor Bergen), hier gibt es sogar Pfannkuchen. Richtig freundlich und gemütlich, offensichtlich eine richtige Vorzeigejugendherberge, die einzige, in der ich sogar abschließbare Fächer in den Zimmern erlebt habe. 100 NOK, Frühstück 60 NOK (seinen Preis wert!) Es gibt leider keine ständige Busverbindung in die Stadt, man kommt nur vom Fleck, wenn die Überlandbusse von Geiranger und Ålesund vorbeifahren. Die Stadt selbst ist recht langweilig, aber die Lage ist sehr schön.

An/Ab/Weiterreise

Diverse Busse, außerdem Zug nach Dombås. Von diesem gottverlassenen Nest (wo es aber nicht ruhig ist, weil die E6 mittendurch fährt) aus Anschluß nach Oslo, bzw. Trondheim.

Von hier aus fahre ich mit dem Nachtzug nach Fauske (fährt weiter nach Bodø). Ich schaue bis nachts um 1 aus dem Fenster aufs Meer, es ist hell, am Horizont die Abendröte. Zwei Stunden später wache ich auf, weil zwei Mädchen in das Abteil zusteigen, immernoch derselbe Ausblick, nur ist es diesmal das Morgenrot. Allein für die Nächte lohnt es sich, in den Norden zu fahren, es ist einfach faszinierend! Zwei Stunden später wache ich erneut auf, diesmal unsanft. Ich höre ein paar Brocken in der mir mittlerweile vertrauten Sprache, alles raus, der Zug fährt nicht weiter, umsteigen in den Bus. Die Fahrt geht durch eine wunderschöne Landschaft, das entschädigt ein bißchen für den Ärger. Es geht wieder weiter mit dem Zug. An derartige Pannen in Deutschland gewöhnt, erwarte ich, daß wir in einen viel zu kleinen Zug reingequetscht werden, wo an Schlafen nicht zu denken ist, und bin sehr überrascht, als wir einen Schlafwagenzug wie den ersten vorfinden. Nachdem ich mich noch beim Schaffner vergewissert habe, daß der Anschlußbus in Fauske warten wird, schlafe ich friedlich ein. Vormittags frühstücke ich genüßlich und höre nochmal die Durchsage, daß alle Verbindungen in den Norden gewährleistet sind. Hier macht Zugfahren richtig Spaß!
In Fauske werden für alle Weiterreisenden neue Busse eingesetzt. Nach stundenlanger Fahrt lande ich in Narvik, und auch hier steht der Anschlußbus nach Tromsø bereit.

Tromsø

Abends komme ich hier an und sehe mich zunächst nach der Buslinie zur Jugendherberge um. Ich finde heraus, daß es die Linie 24 ist, und da diese erst in einer halben Stunde fährt, mache ich noch einen kurzen Spaziergang und lasse mein schweres Gepäck an der Haltestelle liegen. Ich hab schon so ein dummes Gefühl und komme deshalb bereits nach wenigen Minuten zurück, und mein ganzes Gepäck ist weg. Ich winke einem vorbeifahrenden Polizeiauto und erzähle was passiert ist, der Polizist läßt mich einsteigen und erzählt, daß es hier im Hafenbereich etliche Kriminelle gibt. Aber meistens haben sie es nur auf Geld abgesehen und werfen das Gepäck dann weg, es lohnt sich, die nähere Umgebung zu durchsuchen, insbesondere Müllcontainer. Wir fahren ein paar Runden, erfolglos, dann mache ich Anzeige bei der Polizei. Die Beamten sind alle sehr freundlich, und daß ich, ziemlich aufgelöst, sämtliche mir gerade einfallenden Sprachen durcheinanderrede, erheitert sie sehr. Ich will erstmal zum Schlafen in die Jugendherberge gehen und am nächsten Tag überlegen, was ich jetzt mache, ohne Zahnbürste, Unterhose zum Wechseln, Pullover und Wanderausrüstung kurz vor dem Abflug in die arktische Wildnis und drei Tagesreisen von der Heimat entfernt. Auf dem Weg fährt das Auto der Polizei an mir vorbei, sie haben meinen Krempel gefunden, es fehlt kein einziges Stück, nur dänisches und deutsches Geld, das ich in einem zweiten Geldbeutel im Koffer hatte. Die Polizei kann so richtig nützlich sein, wenn sie sich mal auf ihre Aufgaben konzentriert anstatt harmlose DemonstrantInnen zu jagen...
So habe ich doch noch Gelegenheit, mir am nächsten Tag Tromsø ganz entspannt anzusehen. Tromsø gehört zu den wenigen Städten, die an einem verregneten Sonntag nicht wie ausgestorben und langweilig sind. Die Stadt liegt auf einer Insel und ist, insbesondere für diese nördliche Lage, recht freundlich und lebendig, auch wenn es außer der Eismeerkatedrale nicht viel zu sehen gibt. Letztere ist sehr markant und sehenswert! Bei der Rückreise ist hier wieder herrlichstes Sommerwetter, kurz vor der Weiterfahrt mit dem Bus hab ich noch Gelegenheit, sie von der anderen Seite der Brücke aus in der strahlenden Morgensonne zu fotografieren.
Die Jugendherberge ist ein Studentenwohnheim. Natürlich atmosphärisch nicht so toll wie andere Herbergen, aber immerhin hab ich hier ein Doppelzimmer für mich allein für 100 NOK, und es gibt sogar Kochgelegenheit auf dem Zimmer. Die einzige Jugendherberge von denen, die ich erlebt habe, wo es kein Frühstück gibt.

An/Ab/Weiterreise

Busverbindungen weiter in den Norden (Alta, Nordkap, Kirkenes) und in den Süden (Narvik). Gute Anschlüsse, man schafft es auf jeden Fall innerhalb eines Tages von/nach Fauske oder Lofoten/Vesterålen.
Die Hurtigrute hält hier, außerdem andere Fähren (z.B. Harstad/Vesterålen). Im Hafen-Busbahnhofbereich ist ein kleines Selbstbedienungsrestaurant mit Gepäckschließfächern. Macht Sonntags erst um 12 Uhr auf, ziemlich dumm, weil man ja um 10 Uhr schon aus der Jugendherberge raus muß.
Linienflüge nach Longyearbyen. Der Flughafenbus ist schweineteuer (35 NOK!!), lieber die Linienbusse 25 oder 27 (15 NOK) nehmen und 50 m zum Flughafen laufen.

Narvik

Hier mache ich auf der Rückfahrt kurz Station, um die Fahrkarte für den nächsten Tag zu kaufen. Die Stadt, besonders ihre Lage, ist mir schnell sympathisch. Ich gehe vom Bahnhof zum Hafen hinunter. Es ist schon wieder, immernoch, knallheiß, ich fühle mich wie an einem Mittelmeerhafen. Die Landschaft ist hier wunderschön, hier lohnt es sich vielleicht sogar, mal einen Tag zu bleiben.

An/Ab/Weiterreise

Großer Umsteigebahnhof für viele Nordland-Fans. Hier ist Endstation der Zugverbindung aus Kiruna/Schweden. Busse von/nach Fauske und Bodø und in den Norden.

Kabelvåg/Svolvær/Lofoten

Auf der Rückreise habe ich leider wenig Zeit, noch weniger als auf der Hinreise, viel zuwenig für das, was ich noch alles vorhabe. Ich will unbedingt, wenn ich schon mal hier oben bin, auf die Lofoten-Inseln, und wenn's nur ganz kurz ist, und von dort aus weiter nach Fauske und zurück in den Süden. Es gibt mehrere Möglichkeiten, das mit Bussen und Fähren zu bewerkstelligen, es dauert nur unterschiedlich lang, und dummerweise kommt man oft an Informationen erst vor Ort ran. D.h. erst wenn man im Bus bereits drin sitzt, findet man einen wunderbar übersichtlichen Fahrplan, bzw. wenn man in einem Lofotenkaff angekommen ist erfährt man, daß die Fähre, mit der man eigentlich am nächsten Tag weiterzufahren gedenkt, gerade an diesem Tag nicht fährt (ein weiteres Murphy's Law entdecke ich - um drei Uhr aufgestanden wegen des Fluges - an diesem Tag: Man schafft es dann, endlich einzuschlafen, wenn der Bus angekommen ist bzw. eine längere Pause in wunderschöner fotogener Landschaft bei strahlendem Sonnenschein macht). Es gibt einiges, was ich immer noch nicht herausgefunden habe, z.B. wo der Bus auf den Lofoten alles hält, ob es vielleicht auch eine andere Möglichkeit gibt, nach Stamsund zu gelangen als mit der Hurtigrute, ob von Å aus direkt ein Schiff zum Festland fährt. All diese spannenden Fragen werde ich bei meinem nächsten, hoffentlich längeren Urlaub hier erforschen. Im Zweifelsfalle kann man sich telefonisch erkundigen bzw. die Touristenbüros ausquetschen, die sind fit.
Ich fahre bis Kabelvåg, 5 km von Svolvær entfernt. Dort gibt es eine Jugendherberge, in einer Schul- und Schwimmhalle. (100 NOK, Frühstück 30 NOK) Landschaftlich sehr schön, besonders nachts sehr interessant. Anfang August ist zwar bereits nix mehr mit Mitternachtssonne, aber die Abendstimmung während der wenigen hellen Nachtstunden ist ebenfalls sehr reizvoll. Am nächsten Tag schaue ich mir Svolvær an, eine recht unspektakuläre Stadt, angeblich sind auf den Lofoten-Inseln die kleinen Fischerdörfer interessanter, aber auch hier findet man ein paar attraktive Ecken.

An/Ab/Weiterreise

Von Narvik aus fährt ein Bus nach Svolvær, eine der schönsten Busfahrten! Von Tromsø kommend kann man auch in Bjerwik umsteigen. Von Svolvær aus fährt ein Bus durch die Lofoten-Inseln nach Å, allerdings schafft man das von Tromsø aus nicht in einem Tag, da der letzte Bus nicht mehr so weit fährt. Zur Rückfahrt Richtung Süden fährt von Svolvær eine Fähre ans Festland nach Skutvik, dort hat man Anschluß an einen Lokalbus nach Ulsvåg, und hier wiederum an den Überlandbus nach Fauske. Wie immer klappt das alles reibungslos.
Ich würde das nächstemal, wenn ich wieder so wenig Zeit habe, nicht bis zu den Lofoten-Inseln fahren, sondern mir auf den Vesterålen eine hübsche Ecke suchen, denn hier ist es m.E. nicht häßlicher, erspart aber einige Stunden im Bus. Zeitsparende Varianten für die Rückfahrt sind außerdem, mit der Fähre von Svolvær gleich nach Bodø (hier startet der Zug nach Trondheim) zu fahren (die Fähre geht aber samstags nicht, wie ich feststellen mußte...) oder auf den Lofoten weiter in den Süden zu fahren und dort eine Fährmöglichkeit suchen. Darüber bestimmt irgendwann mehr...

III Spitzbergen

(siehe dazu auch mein allgemeiner kurzer Bericht vom letzten Jahr)

Reisevermittler und -veranstalter, Reiseführer:

Andreas Umbreit, Dammstr. 36, 24103 Kiel, Tel. 0431/91678, Fax 93733.
Nach etwas oder jemand anders zu suchen kann man sich gleich sparen, gibt es nämlich nicht. Das ist keine Werbung (ich krieg keine Provision dafür ;-)), sondern nur ein Tip zur Vermeidung von unnötiger Rumfragerei in Reisebüros. Wie ich von Mitreisenden gehört habe, landet man, wenn man in Deutschland irgendwo anders Wander- und Trekkingreisen nach Spitzbergen bucht, ohnehin bei Andreas Umbreit. Er ist sicher der einzige Spezialanbieter für Spitzbergenreisen im deutschsprachigen Gebiet, überhaupt der einzige Nichtnorweger, der mir da oben mit Reiseangeboten begegnet ist. Man kann bei ihm auch Angebote anderer Veranstalter buchen (Schiffsreisen z.B.) und mit seinen Programmen kombinieren.
Die Frage nach einem Reiseveranstalter stellt sich hier auch für Leute, die sonst lieber allein reisen: Bis auf ein paar Straßen in den Siedlungen ist das Gelände völlig weg- und infrastrukturlos. Wegen der Eisbärengefahr braucht man eine großkalibrige Waffe (d.h. ohne Waffe ist man praktisch an die Orte gefesselt). Rettungsaktionen bei Unfällen jeder Art sind aufwendig und teuer, wegen des Fehlens von Straßen wird fast immer der Hubschrauber gebraucht. Selbständige Touren müssen angemeldet werden. D.h. das kommt eigentlich nur für Outdoor-Profis mit entsprechender Vorbereitung in Frage.
Man kann auch vor Ort Tagestouren buchen. Nachdem die Zukunft des Steinkohleabbaus unsicher ist (aus ökologischen und ökonomischen Gründen), setzen die Norweger einerseits auf Polarforschung, hauptsächlich aber auf den Tourismus. Eine Gratwanderung, denn die arktische Natur verträgt nicht viel Störungen. Mein subjektiver Eindruck: Die örtlichen norwegischen Anbieter geben sich sehr viel Mühe mit dem Tourismus, es gibt auch viel Informationsmaterial, insbesondere über die besonders empfindliche Umwelt. Aber die Wandertouren beschränken sich auf ein paar »Standardangebote«, bei A. U. ist das Programm flexibler, und es ist eher möglich, auf Wünsche von einzelnen einzugehen.
Auch wer bei einem Veranstalter bucht, sollte sich auf so ein außergewöhnliches Reiseziel gut vorbereiten. Das Spitzbergen-Reisehandbuch von A. U. ist konkurrenzlos, auch vor Ort habe ich nichts Vergleichbares gefunden, auch nicht in anderen Sprachen. Ohne Übertreibung ein Muß für jeden Spitzbergen-Reisenden, insbesondere für die, die sich ohne Veranstalter auf eigene Faust in die weglose arktische Natur begeben wollen.
A. U. lebt jedes Jahr einige Monate auf Spitzbergen und hat wirklich viel Ahnung und Erfahrung, man kriegt reichlich wirklich sinnvolles Infomaterial (aber keine Katalog-Papierberge!), insbesondere Ausrüstungstips. Auch und gerade als IndividualistIn kann man ganz gut das buchen, was man will, angefangen von Arktischen Wochen und Wochenenden mit Tagestouren bis hin zu mehrwöchigen Trekkingtouren mitten in der Pampa. Auch die Übernachtung kann man wählen, Platz im Zelt, Jugendherberge, Gästehaus oder Hotel.
Ich habe eine »Kombinierte Arktische Woche« mit Verlängerungstagen gebucht. Dieselbe Woche hat nur ein weiterer Tourist gebucht, für den ersten Teil sind wir mit einer Trekking-Gruppe zusammen, die dann nachher ihre eigenen Wege geht. Ich als überzeugte Eigenbrötlerin finde die Atmosphäre in der Gruppe sehr angenehm, man merkt, es sind alles Leute, die sonst lieber allein reisen.

Longyearbyen

Die Siedlung wurde 1906 von den Amis wegen des Kohleabbaus aufgebaut und nach ihrem Gründer »Longyear City« benannt. Richtig glücklich wurden die Amis damit aber nicht. Zum einen ließen sich die norwegischen Arbeiter die frühkapitalistischen Arbeitsbedingungen nicht so gut gefallen, und zum anderen gab es Rangeleien mit den (seit 1905 national selbständigen und dementsprechend selbstbewußten) Norwegern, die Interesse an hoher Präsenz auf Spitzbergen hatten. Zehn Jahre später verkauften Longyear und Co. (lt. A. U. deshalb die einzigen, die hier mit dem Kohleabbau Geld verdienten) das Ganze an die Norweger. Seit 1920 gilt der »Spitzbergen-Vertrag«: Norwegen hat die Souveränität über die Inselgruppe, aber auch andere Nationen dürfen sich dort ansiedeln. Mittlerweile ist Longyearbyen die älteste noch bewohnte Siedlung von Spitzbergen und sowas wie die Hauptstadt. Hier befindet sich der Sitz des »Sysselmann«, des norwegischen Gouverneurs, und seit etwa 20 Jahren der Flughafen. 78 Grad nördlicher Breite, noch ein ganzes Stück nördlicher als das Nordkap, wo man als Tourist ständig eingeredet kriegt, daß hier alles das Nördlichste der Welt sei.
Das erste was in Longyearbyen ins Auge springt sind die Farben. Ich hab gedacht ich faß es nicht, als ich ein Jahr vorher zum erstenmal hier war. Liebe auf den ersten Blick. Das erwartet man einfach nicht, karge Natur, (nach den Vorstellungen der meisten meiner Mitmenschen unwirtlich und trostlos) kaum ein winziges Pflänzchen, und dann diese Farben. Farbenfrohe Architektur ist in Skandinavien nichts ungewöhnliches, insbesondere im Norden, wo man um einen Kontrast zur kargen Natur bemüht ist. Aber diese Farben übertreffen das alles noch. Sie sind nicht zufällig, man hat extra eine Architektin beauftragt, um die Farben auszusuchen. Aber sie wirken gar nicht geplant. Die Einfamilienhäuschen fallen zuerst auf. Meistens Braun- oder blasse Grüntöne, und zwischendrin ein Rosa oder gar Knalltürkis, was aussieht, als würde es gar nicht reinpassen.
Dann wieder andere Häuserreihen in ganz anderen Farben. Immer wieder sanfte Brauntöne und dann wieder Knallfarben.
Kontrastreich ist auch die Stadt an sich. Einerseits spürt man deutlich, daß hier eigentlich keine menschliche Siedlung hingehört. Wenn man nicht wüßte, daß man sich hier mitten in der Arktis befindet, würde man all das für improvisiert und pionierhaft halten. Wasserleitungen und so'n Zeug verlaufen quer durch die Landschaft (unterirdisch geht nicht, wegen des Permafrostbodens). Häuser stehen mitten im Schotter; mittlerweile gibt es weitgehend geteerte Straßen, aber sobald man diese einen Schritt weit verläßt, steht man im Dreck. Dort wachsen nebeneinander Wollgras und zwecks »Dorfverschönerung« künstlich angelegtes richtig grünes Gras. Zwischen den Häusern stehen die Schneescooter der Bewohner mehr oder weniger geordnet rum. Das Ortsbild wird noch vervollständigt durch ein genüßlich im Kunstrasen grasendes Rentier, das sich vermutlich freut, weil es auf der ganzen Insel noch keine so saftige grüne Weide gefunden hat.
Andererseits ein modernes Ortszentrum mit Supermarkt, dem Cafe »Busen« (norw. Kumpel) Geschäften, Bank und Post. Der neue Stadtteil Lia entstand erst vor etwa 20 Jahren, als man einsah, daß es nicht mehr zeitgemäß sei, die Bergarbeiter in Zweierzimmern hausen zu lassen. Jetzt wohnen sie mit ihren Familien in den schönen bunten Ein- oder Mehrfamilienhäusern. Viele Kinder gibt es hier. Dieses Zentrum wirkt nicht nur modern und kein bißchen exotisch oder pionierhaft, es wirkt vor allem in einer ganz besonderen Art freundlich und gemütlich. Man spürt, die Menschen leben wie selbstverständlich hier, und sie scheinen sich wohlzufühlen. Und das steckt richtig an.

Die Jugendherberge

Sie liegt etwa 2 km vom Zentrum entfernt im Stadtteil Nybyen, wo bis vor 20 Jahren noch die Bergarbeiter wohnten. Zweierzimmer mit Waschbecken, gemütlich, reichhaltiges Frühstück.
Von hier ist es nicht weit zum »Huset« (Haus) einem gemütlichen Restaurant. Hier sind, wie auch im Cafe Busen, die Preise etwas niedriger als auf dem norwegischen Festland.

Pyramiden

Das besondere »Schmankerl« der kombinierten arktischen Woche ist der zweitägige Aufenthalt in der russischen Siedlung Pyramiden. Hierher kommt man mit dem Schiff, was bei stürmischem Wetter kein Vergnügen ist, ich wurde ordentlich seekrank. Touristen kommen hierher normalerweise nur für wenige Stunden.
Hier hat man endgültig das Gefühl, am Ende der Welt angelangt zu sein. Der Kontrast zu Longyearbyen ist groß, und auch die Siedlung selbst ist kontrastreich. Wir sind die einzigen Gäste im Hotel. Man gibt sich viel Mühe, uns den Aufenthalt angenehm zu machen, insbesondere das Essen ist vorzüglich. Die wenigen Menschen, denen wir begegnen, wirken sehr freundlich. Die Zukunft der russischen Siedlungen auf Spitzbergen ist ungewiß, es werden immer mehr Bewohner in die Heimat abgezogen. Die meisten Häuser stehen leer. Wege gibt es im Ort kaum, man bewegt sich auf Holzstegen vorwärts. Mittendrin ein für diesen kaum noch bewohnten Ort riesiger Platz mit einer Lenin-Büste. Gespenstische Atmosphäre. Dahinter ein großes Kulturhaus und eine Schwimmhalle. Ein eigenes Gewächshaus hat dieser Ort auch. Nicht nur in Longyearbyen hat man in den letzten Jahrzehnten versucht, den BewohnerInnen ein normales und angenehmes Leben zu ermöglichen, auch das,was hier aufgebaut wurde, verdient Respekt. Wir dürfen einer Tanz- und Chorgruppe beim Proben zusehen. Soviel Power vermutet man gar nicht hinter diesen kargen Mauern. Dieser gottverlassene Ort ist wirklich ein Ferienerlebnis der besonderen Art.

Wandern im weglosen Gelände

Es klingt so abgegrast, aber es tatsächlich »naturverbundener« als das Wandern auf ausgelatschten Wegen. Solange es eben und trocken ist, kommt man gut vorwärts, denn es stehen keinerlei Bäume und Sträucher in Weg (die gibt es zwar, aber sie erreichen Millimeterhöhen). Aus diesem Grund ist die grobe Orientierung auch einfach, man verschätzt sich aber auch leicht mit Entfernungen. Wenn es den Berg rauf oder runtergeht, wird es u.U. schon schwieriger, insbesondere, wenn man, wie ich, etwas Schwierigkeiten mit der Trittsicherheit hat. Das Überqueren von Flüssen ist ein »Vergnügen« der besonderen Art: Bereits knöcheltiefe Bäche können unangenehm reißend sein. Richtig lästig wird es (nach meinem subjektiven Empfinden), wenn die Wandergummistiefel nicht mehr ausreichen und man in Wathosen umsteigen muß. Da hatte ich die Hosen gestrichen voll... Es gibt allerdings m.E. nichts, was ein Mensch mit guter Kondition nicht schafft, die Frage ist vielmehr, ob man sich mit dieser weglosen Natur auseinandersetzen will. Die Landschaft ist faszinierend. Scheinbar karg und trostlos bewirkt sie ganz andere Blickwinkel, hier freut man sich über jedes kleine Blümchen und jedes kleine Vögelchen. Es ist auf eine Weise »schön«, die man kaum beschreiben kann. Endlose Weiten, Ruhe und Frieden. Dabei kann man geradezu zuschauen, wie die Natur sich verändert: Wo eigentlich unser Weg sein sollte, ist eine Steinlawine abgegangen und hat nur ein großes Loch zurückgelassen. Das war nach Auskunft unserer Tourenbetreuerinnen vor zwei Wochen noch nicht da. Einmal werden wir sogar Zeuge, wie sich eine Matschlawine gemächlich den Hügel runterschiebt. Nicht jeder wird diese Natur ohne blühende Landschaften mögen, aber wer sich darauf einläßt, wird es nicht bereuen. Mit den Fragen der Ausrüstung und der Gefahren muß man sich allerdings vorher intensiv auseinandersetzen.
Das Wetter ist oft neblig und wolkig, aber es regnet selten viel, Spitzbergen ist eine Kältewüste. Im Sommer ist es nicht richtig kalt, aber der Wind kann unangenehm sein. Die sonnigen Tage werden zum unvergeßlichen Erlebnis. Nachts ist das Wetter oft besser als tagsüber. Ich gehe in den sonnigen Nächten durch Longyearbyen auf Fototour. Eigenartige Atmosphäre, taghell, kein Wölkchen am Himmel, und kaum ein Mensch auf der Straße, ab und zu hört man Menschen lachen, die in den bunten Häusern am offenen Fenster sitzen und wie ich die Sonne genießen. Das kann man nicht beschreiben, das muß man erlebt haben.

Mein Fazit:

Eine Norwegen- und insbesondere Spitzbergen-Reise ist natürlich schweineteuer, aber ich war eben der Meinung, es müßte sein. Ich hab's auch nicht bereut, dafür lohnt es sich, zuhause zurückzustecken. Ich fahre wieder nach Norwegen, und wenn ich's mir vom Mund abspare. Die Landschaft, die Menschen, die hellen Nächte, das ist einfach wunderbar. Angesichts dessen, daß man, will man in den Norden, stundenlang in den öffentlichen Verkehrsmitteln sitzt und nicht überallhin mit Nachtzügen fahren kann, ist es sehr praktisch, wenn es abends und nachts noch hell genug für Erkundungen ist. Mich zieht es normalerweise eher in den sonnigen Süden, aber wenn das Wetter so ist wie ich es erlebt habe, gibt es nichts Schöneres. Was mich sehr überrascht hat, ist, daß man es auch in den touristischen Ecken ohne weiteres schafft, allein zu sein, wenn man es will.
Spitzbergen ist schon aus Kostengründen kein Urlaub für jedes Jahr, sondern ein Erlebnis der besonderen Art. Nicht jeder wird diese karge Natur und die widersprüchlichen, ungewohnten Eindrücke mögen, aber die, die hierher kommen, sind meistens sehr begeistert. Es hat etwas Eigenes, was man gar nicht beschreiben kann, entweder springt der Funke über oder eben nicht. Warum ich mich, obwohl ich doch sonst alles liebe was grünt und blüht, in diese Insel so verliebt habe, hab ich noch nicht rausgefunden.